Vor dem Spitzenspiel der Verbandsliga
Der Karlsruher Reserve ist mit 6:2 5:3 Punkten ein überzeugender Saisonstart gelungen. Mit dieser Ausbeute liegt das Team gar einen Punkt zwei Brettpunkte vor der eigenen ersten Mannschaft. Und momentan auf Platz drei der Verbandsliga!
Beste Voraussetzungen also für ein spannendes Spiel gegen den Tabellenführer Hockenheim 2 in der nächsten Runde. Die Begegnung findet bereits am kommenden Sonntag, 22. Januar statt. Spiellokal ist die AWO-Begegnungstätte in der Adlerstraße 33. Dieser Wettkampf ist um eine Woche vorverlegt worden. Denn Hockenheim hätte sonst am darauffolgenden Sonntag die Doppelbelastung eines Pokalspiels auf Deutscher Ebene und der Verteidigung der Tabellenführung in der Verbandsliga stemmen müssen.
Als bisheriges Erfolgsgeheimnis von KSF 2 kann man geschlossene Mannschaftsleistungen gegen nominell ähnlich starke Gegner sehen. So wurden mit Heidelberg 2 und Pforzheim zwei Teams jeweils mit 5-3 an den Brettern besiegt, die einen 40 bis 50 Punkte höheren DWZ-Schnitt aufwiesen.
Mit gleicher Berechtigung kann man aber auch auf die guten individuellen Ergebnisse hinweisen. Aktuell haben mit Paula Wiesner, Martin Bastian (je 2 aus 2) und Paul Zimmermann (3 aus 3) drei Spieler noch eine blütenreine Weste mit 100-prozentigen Scores bei Einsätzen für die zweite Mannschaft.
Ebenso einen überzeugenden Beitrag leistete unser Neuzugang Stefan Inhoven am Spitzenbrett der Zweiten. An diesem Brett bekommt er es wohl durchweg mit stärkeren Spielern zu tun. Gegen den Pforzheimer Spitzenmann FM Stefan Bücker versteckte Inhoven sich keineswegs. Und mit der Initiative des Morra-Gambits gelang unserem Mann ein sehenswerter Erfolg über den bekannten Meister der unorthodoxen Eröffnungsbehandlung.
Hier die Partie mit Kommentaren des Siegers:
[pgn layout=horizontal height=400 autoplayMode=none]
[Event "VLN16/17 Pforzheim-Karlsruhe II"]
[Site "Baden GER"]
[Date "2016.12.11"]
[Round "4.1"]
[White "Inhoven, Stefan"]
[Black "Buecker, Stefan"]
[Result "1-0"]
[ECO "A43"]
[WhiteElo "2074"]
[BlackElo "2295"]
[Annotator "Inhoven"]
1. Nf3 {Ich wollte den Spielraum für eine unregelmäßige Eröffnung einengen, um
einer möglichen Vorbereitung aus dem Weg zu gehen - mein Gegner ist der
Fide-Meister Stefan Bücker. Für wen dieser Satz erklärungsbedürftig bleibt,
ist hier nicht der Platz um Aufklärung zu betreiben, aber ich hab einen ganz
heißen Tip: Versucht ihn zu verstehen - es lohnt sich!} c5 2. d4 {Eine gute
Gelegenheit, selbst eine Duftnote zu setzen. Der einzige Haken daran sitzt mir
gegenüber, denn wir befinden uns nun in einer Stellung, die auch über 1.d4 c5
erreicht werden kann. Für die oben Angesprochenen, die es bis hierhin noch
nicht geschafft haben, meinem Tip nachzugehen eine Situationseinschätzung: Ich
habe unbeabsichtigter Weise meinen Gegner zusätzlich motiviert und bekomme das
in den nächsten Zügen auch zu spüren ...} (2. e4 {ist zunächst einmal
Sizilianisch. Wie es weitergegangen wäre, kann niemand wissen, und da die
Spekulatius-Zeit ja auch zu Ende ist, wollen wir es dabei belassen.}) 2... cxd4
3. c3 dxc3 (3... d5 4. cxd4 {ist die slavische Abtauschvariante. Eine
sicherlich bequem spielbare Eröffnung, aber keine Option für Abenteurer. ["Ich
weiss nicht, was Ihr unter einer mittleren Größe versteht, aber mit dem da
könnt Ihr Euch beim Zenturio nicht blicken lassen" - Legionär zu Obelix bei
der Kleiderausgabe in 'Asterix als Legionär']}) 4. Nxc3 {Weiß möchte nach 5.e4
die faszinierende Welt des Morra-Gambits betreten. Nicht, dass ich das richtig
drauf hätte, aber ich war mir sicher, dass das meinem Gegner genau so gehen
würde. Das bedeutet normalerweise, dass der mit dem Minusbauern zuerst den
Spaß hat - am Ende ist es dann leider auch oft mit dem Spaß so, dass alles
viel zu ergebnislastig wird ... [GM Nigel Short über Morra: "A belief in the
existance of Santa Claus is more rational than imagining White has adequate
compensation after the unwarranted 3.c3?"]} a6 $5 {Als mein Gegner den nach 10
Minuten ausgepackt hatte, ahnte ich schon seinen Nächsten. Er hat den Nachteil
vom zurückgestellten e4 gefunden, aber wo soll ich jetzt noch anders hin?} 5.
e4 b5 $5 {Morra-Gambit ohne Lc4 - und das muss ich nun in meinem Club erklären.
Weiß hat aber ganz bestimmt Kompensation für den Bauern. ["Das ist'n ganz
komplizierter Fall Maude. Da hängt ein riesen Rattenschwanz dran. Kann man
sich gar nicht vorstellen. Selbst mir dem Dude, raucht da die Fontanelle" -
der Dude in 'The Big Lebowski']} 6. Bg5 {Theorie hat fertig, von 6.Dd5 Sc6 hab
ich mir nichts versprochen und was dabei rauskommt, wenn man irgendeine
Fischdose zwei Tage rechnen lässt, weiß ich immer noch nicht - ich jedenfalls
wollte ihn nicht 6...e6 nebst flüssiger Entwicklung spielen lassen.} h6 7. Bh4
{dito - aber von nun an befinden sich die weißen Aktien in leichter
Abwärtsbewegung.} Nc6 $5 {In der Partie hab ich diesen Zug mit Wohlwollen zur
Kenntnis genommen: Er greift nichts an und lässt den Königsflügel weiter
unentwickelt. Trotzdem ist es auch die erste Wahl meiner Fischdose.
Offensichtlich beginnt sich die Stellung meinem geistigen Zugriff zu entziehen
- was läuft hier falsch?} 8. Be2 {Ich dachte, ich entwickel mich einfach zu
Ende und schau mir dabei mal an, was aus diesem schwarzen Königsflügel wird.
Es ist amüsant, wie weit diese Einschätzung ihr Ziel verfehlt. Tatsächlich
beginnt die Entwicklung des schwarzen Königsflügels sehr überzeugend bereits
im nächsten Zug, und es wird der weiße König sein, der in dieser Partie die
e-Linie nicht mehr verlässt!! ["Wenn ein Plan zu kompliziert ist, dann wird
immer irgendwas schief gehen. Wenn es eins gibt, was ich in Vietnam gelernt
hab dann..." - Walter Sobchac in 'The Big Lebowski']} (8. a4 b4 9. Nd5 Bb7 {
hatte mir nicht gefallen - obwohl gut spielbar, bleibt es an dieser Stelle
wohl Geschmackssache.}) 8... Nf6 $1 9. e5 Nh5 $1 {Für mich vollkommen
überraschend ist diese Aufstellung und auch noch stark!} 10. Nd5 {Diesen Zug,
obwohl nicht der Beste, kann ich mir nicht vorwerfen. Ich spiele, mit nem
Bauern weniger, aktiv und verhindere 10...Sf4.} (10. Nd4 $142 Nf4 11. Bf3 {
mit ungefährem Ausgleich}) 10... g5 {Vielleicht ist 10...Lb7 ein Juckerle
besser, aber hier gilt einfach weiterhin: Gut gespielt Bogoljubow!} 11. Nd2 {
Wieder war Sd4 ein wenig besser, aber ich konnte der Anziehungskraft von f6
einfach keinen vernünftigen Gedanken entgegensetzen.} gxh4 {Wieder gut, aber
da mein Gegner diesen, meine erzwungene Antwort und seinen nächsten Zug als
Paket begriffen hatte (12.Sxe5 kam à tempo), darf man ihn hier nicht loben.} ({
Auch gut ist} 11... Ng7 12. Bg3 Ne6 $1 ({aber nicht} 12... Nf5 $2 13. e6 $1
Nxg3 14. exf7+ Kxf7 15. fxg3 {mit mehr als ausreichender Kompensation}) 13. Bf3
Bg7 14. O-O Bb7) 12. Bxh5 Nxe5 $2 {Nein! - so nicht. Bis hierhin hatte Schwarz
eine ausgezeichnete Partie gespielt - wieso jetzt dieser Zug? Geplant wurde er
ja schon vor 11...gxh4 und zu diesem Zeitpunkt musste man wirklich mehr als
einmal hingucken, um das Trugbild zu erkennen, das einem diese Stellung
vorgaukelt, derart, dass der unrochierte Weiße, der sich auch noch mit dem
Schach auf d3 beschäftigen muss, zum entscheidenden Angriff noch nicht bereit
ist und dass Schwarz das dringend benötigte ...Lg7, oder einen anderen
Verteidigungszug, noch rechtzeitig auf's Brett bekommen wird. Ich hab die
Schönheit dieser Chimäre auch erst zur Kenntnis genommen, als ich für diese
Analyse das Brett gedreht habe, um besser zu verstehen, wie es zu 12...Sxe5?
gekommen war. Sehr leicht kann man in der Stellung nach 11.Sd2 die Stärke des
nächsten weißen Zuges, der für mich eine Art eierlegende Wollmilchsau wird,
übersehen. Da ist auch Glück im Spiel, denn mein Werk ist dieses Trugbild
nicht - ich hab bei 11.Sd2 nur gedacht, dass ich nach 'Nimmt', 'Nimmt' und
'Nimmt' wieder gut im Rennen bin.} (12... Bg7 $142 $15) 13. Qc2 $1 {Deckt,
droht und ermöglicht nach 13...Sc6 auch noch 14.Df5 nebst Feierabend - die
Kompensation, die schon gehörig am Schwinden war, ist in überreichem Maß
zurück ... ["Manchmal verspeist man den Bären, ...]} Ra7 $6 {Ein typischer
Nach-dem-Schock-Zug. Der Schwarze ist positionell kalt erwischt worden, also
möchte er jetzt wenigstens sein Mehrmaterial behalten. [" ... und manchmal
wird man vom Bären verspeist" - The stranger in 'The Big Lebowski']]} (13...
Bg7 $142 14. Nc7+ Kf8 15. Nxa8 Bb7 16. Nc7 h3 17. Bf3 Bc6 18. Nxa6 hxg2 19.
Bxc6 dxc6 20. Rg1 Nd3+ 21. Ke2 Nf4+ 22. Kf3 Nh3 23. Nb4 c5 24. Rxg2 cxb4 25.
Rc1 $16 {wenn das denn beide Seiten alles finden ...}) 14. Rc1 $2 {Ein
typischer Fehler: Weiß war mit dem Verlauf der Partie in den letzten Züge
derart zufrieden, dass er mit Freude den offensichtlichsten gut spielbaren Zug
gewählt hat, auch, und im Unterbewusstsein womöglich vor allem, um diese
Freude noch ein wenig zu genießen. Es war einer dieser Momente, der die Spreu
vom Weizen, den Giri vom Kasparov oder die Sarah vom Pietro trennt. Und ich,
offensichtlich keiner der drei Letztgenannten, und vor allem nicht der Weizen,
hab ärgerlicherweise den Chill-Zug gewählt ... und nicht zum ersten Mal.
[Kapitän: "Auch noch Witze reissen, was? Ich werd Euch helfen! Schneller, Du,
48er-Schlag" - Trommler: "Hat mir der kleine Gallier auch schon gesagt! Ich tu,
was ich kann!" - 'Asterix als Legionär']} (14. f4 $142 $1 $18 {Bsp.:} e6 15.
fxe5 exd5 16. Rc1 {weil} Bb7 {man jetzt f7 nicht mehr mit ...d6 decken kann}
17. Rf1 $18) 14... Bg7 $6 {Schwarz findet, nach den Ereignissen der letzten
Züge, in der restlichen Partie nicht mehr zu der Konzentration zurück, mit der
er die Anfangsphase gespielt hat und so wird Weiß am Ende noch der Sieger
einer Kurzpartie. [Maude: "Sie können sich sicher vorstellen, wie das jetzt
weitergeht" Der Dude: "Er repariert das Kabel?" - 'The Big Lebowski']} 15. Qxc8
Nd3+ 16. Ke2 Nxc1+ 17. Rxc1 Be5 $2 18. f4 Bb8 19. Ne4 d6 $2 20. Qg4 Bc7 {
Es drohte 21.Tc8 - nun durfte ich noch eine nette Kombination bis zum Matt
vortragen. Mein Gegner schaute sich das in aller Ruhe bis zum Ende an, weil er
vor etlichen Jahren gegen Hort mal eine Partie einen Zug vor Matt aufgegeben
hatte. Unseren allseits bekannten Schachkommentator hatte er damit jedenfalls
verärgert.} 21. Nef6+ Kf8 22. Nd7+ Ke8 23. Qe6 Rh7 24. N5f6# 1-0
[/pgn]