DVM U20

Viel Licht – viel Schatten

Deutsche Vereinsmeisterschaften U20 · Braunschweig · 26.12. – 30.12.2019 · von Stefan Joeres

Wie immer zwischen Weihnachten und Silvester fanden vom 26.-30.Dezember die Deutschen Vereinsmeisterschaften statt. Die U20 trat mit Lukas Koll, Wilken Brunner, Alex Wiesner, Leon Wegmer, Maria Grining, Michael Kokschenev und mir an. Als Trainer kam Lukas Pfatteicher mit. Übernachtet wurde in der Jugendherberge in Braunschweig, gespielt in einer benachbarten Schule. Die bei der Organisation von solchen Turnieren üblichen Scherze beinhalteten zum Beispiel, dass man nur bis 19:30 Uhr in der Schule spielen konnte, sodass eventuell überlange Partien in die Jugendherberge verlegt werden sollten. Zum Glück kam es nicht zu einer solchen Posse. Lobenswert war, dass eine Live-Übertragung für alle Bretter eingerichtet war und auch lange Zeit bis auf kleinere Störungen funktionierte. In der letzten Runde gaben fast alle Live-Bretter nach einer Stunde den Geist auf, sodass viele Partien nicht vollständig automatisch erfasst wurden.

Aber genug von der Organisation, wir waren ja zum Schachspielen da. Und da viele andere Mannschaften nicht in Bestbesetzung antraten (oder wie die OSG Baden-Baden kurzfristige Absagen verkraften mussten und nur fünf Spieler zur Verfügung hatten), standen wir an Position 7 in der Setzliste und mussten in Runde 1 gegen die Schachgesellschaft Bensheim aus Hessen spielen. Maria stürmte übermotiviert auf ihren Gegner los und Michael stellte früh Material ein. Wenigstens Wilken und Leon hatten gute Stellungen. Nachdem Marias Gegner einen Gewinn ausließ, ließ er sich doch noch mattsetzen, sodass wir in Führung gingen. Doch umgehend kassierten wir den Ausgleich, da sich Lukas nach einem verfehlten Läufermanöver in 20 Zügen mattsetzen ließ. Michael gewann das eingestellte Material wieder, nur um das entstandene Endspiel einzustellen. Ich konnte mit Schwarz die ganze Partie über keinen Vorteil erarbeiten und musste in eine Stellungswiederholung einwilligen. Leon vergab seinen Vorteil und verpasste es, den Ausgleich herzustellen. Den besorgte dann Wilken, der einen kurzen Schockmoment überstehen musste, als er einen Turm einstellte, was der Gegner aber glücklicherweise nicht sah. Damit hatten wir uns unverdient in ein 3:3 gerettet, was aber in Anbetracht der Wertungszahlen trotzdem ein unerfreuliches Ergebnis war.

In der Nachmittagsrunde trafen wir auf die Gastgeber aus Lehrte. Ich bekam mal wieder Sveshnikov aufs Brett und stand klar besser, da auch das Brett 1 von Lehrte die Theorie nicht ausreichend gut kannte. Ich gab eine Figur, verrechnete mich dann aber ganz übel und musste mit einer Figur weniger weiterkämpfen, was aber ein aussichtloses Unterfangen blieb. Somit verlor ich das erste Mal seit März mit Weiß. Auch an den anderen Brettern lief viel schief: Lukas hatte zu viel Angst vor dem Angriff seines Gegners, ließ seine Chancen aus und ging ein. Maria spielte eine gute Partie, verlor dann aber in einem ausgeglichenen Endspiel auf Zeit. Leon verbarrikadierte seine Stellung und gab remis, Alex versemmelte ein gutes Endspiel und holte auch nur einen halben Punkt. Einzig Wilken kam souverän zu einem vollen Punkt, konnte aber die 2:4 Niederlage nicht verhindern.

Unsere Ausbeute von einem Mannschaftspunkt am ersten Tag bescherte uns ein Landesduell gegen Bebenhausen. David Wendler an Brett 1 von Bebenhausen verteilte früh Geburtstagsgeschenke in Form einer einzügig eingestellten Figur. Alex bekam zwar kein Material geschenkt, startete aber einen Angriff gegen den beschleunigten Drachen seines Gegners, der sehr schnell durchschlug und uns das 2:0 bescherte. Einen halben Punkt konnte diesmal Lukas beisteuern, der seinem Gegner taktisch klug remis bot, gerade als diesem die letzten Sekunden auf der Uhr davonliefen. Leon hatte souverän das Evans-Gambit abgewehrt und gewann in einem Endspiel mit Läufer und drei verbundenen Freibauern gegen einen Turm. Wilken konnte an seine Ergebnisse des Vortags nicht anknüpfen und verlor. Bei Michael tauschten sich nach und nach viele Figuren, sodass er mit einem Remis den Endstand von 4:2 herstellte.

In der zweiten Runde des Tages folgte das nächste Landesduell, diesmal gegen Heilbronn-Biberach. Und zunächst nahmen die Partien einen schlimmen Verlauf. Das Übel begann bei Lukas, der freiwillig in ein schlechtes Endspiel tauschte und setzte sich fort bei Leon, der einen unklugen Bauernvorstoß wagte und anstatt den Bauernverlust zu akzeptieren, eine Qualität einstellte, was auch die Partie bald beendete. Maria hatte zunächst eine gute Stellung, opferte aber einen Bauern und stellte wenig später ebenfalls eine Qualität ein, sodass sie in einer verlorenen Stellung landete. Die Krönung folgte dann an meinem Brett: Zunächst hatte ich in einer Nebenvariante des Najdorf-Sizilianers eine gute Stellung erreicht und konnte einen Bauern einkassieren. Dann aber stellte ich wie schon am Tag zuvor eine Figur ein und musste meine nächste Weißniederlage quittieren. Doch diesmal wendete sich das Blatt und uns gelang ein Wunder. Michael hatte einfach schlecht gestanden, doch dann patzte der Gegner schwer und Michael konnte ein Endspiel mit Mehrfigur nach einigen kritischen Momenten gewinnen. Lukas gelang es tatsächlich, sein Endspiel zusammenzuhalten, nachdem sein Gegner unsaubere Technik gezeigt hatte. Alex spielte erneut eine hervorragende Partie und anders als am Vortag verwertete er einen Mehrbauern zum Ausgleich. Damit lief nur noch Marias Partie. Ihr Gegner beging in gewonnener Stellung mehrere Fehler, sodass Maria dem Ausgleich immer näher kam und uns tatsächlich noch das 3:3 retten konnte.

Dieses (un)glückliche Unentschieden wurde mit einem Kampf gegen die Zweitgesetzte Mannschaft aus Dortmund-Brackel belohnt. Im Vorjahr hatten wir 2:4 verloren. Ich spielte mit derselben Farbe gegen denselben Gegner. Doch kam nicht wieder Rossolimo aufs Brett, sondern 1. Sf3. Ich konnte mir zwar einen kleinen Vorteil erarbeiten, aber die Partie verflachte schon sehr früh, sodass wir uns auf ein Remis einigten. Wilkens Hurra-Stil führte mal wieder zu einer wilden Partie: Er opferte eine Figur, was der Gegner korrekterweise annahm. Dies führte zu einer verlorenen Stellung für Wilken, aber nach einem groben Schnitzer seines Gegners hätte sich sein Mut bezahlt machen können. Er sah den Gewinn aber nicht und gab Dauerschach. Leon stellte früh einen Bauern ein und musste dankbar sein, dass er in ein Turmendspiel mit Bauer weniger abtauschen durfte. Alex gewann früh einen Bauern, spielte aber zu passiv weiter und rochierte in einen Königsangriff hinein, was seinen Monarchen schnell das Leben kostete. Dafür holte aber Maria ihren zweiten Sieg. Ihr 300 ELO höher bewertete Gegner hatte sich unklugerweise einen Bauern gegriffen und wurde danach völlig auseinandergenommen. Angesichts des Verlustes einer Figur und einer auch sonst völlig ruinierten Stellung gab er nach gerade einmal 21 Zügen auf. Lukas holte aus der Eröffnung keinen Vorteil, bekam aber eine Chance, klar besser zu stehen. Er nutzte sie nicht und spielte remis. Damit hing der Kampf von Leon ab, der auch tatsächlich noch das 3:3 sicherte, nachdem sein Gegner seinen Mehrbauern im Turmendspiel einzügig einstellte.

Mit dem Unentschieden waren wir weiterhin im Mittelfeld der Tabelle und trafen auf die SF Augsburg. Frustriert von meinem schlechten Spiel und meinen schlechten Ergebnissen mit Weiß wählte ich dieses Mal das Londoner System als Eröffnung und bekam eine ordentliche Stellung. Lukas gewann einen Bauern ausgangs der Eröffnung und bekam ein gewinnträchtiges Endspiel aufs Brett. Michael vergaß schon wieder die Caro-Kann-Theorie, obwohl Lukas P. ihm diese wenige Runden zuvor schon einmal erklärt hatte, und geriet fürchterlich unter die Räder. Wilken startete wie üblich einen Angriff und war erneut erfolgreich. 1:1. Lukas‘ Mehrbauer erwies sich als nicht ausreichend, sodass er über einen halben Punkt nicht hinauskam. Ein paar Anekdoten ergaben sich während der Partie: Zunächst bot Lukas‘ Gegner mit Weiß im 20. Zug remis. Die Annahme dieses Angebots hätte aufgrund eines Remisverbots für die ersten 20 Züge zum Ergebnis 0:0 geführt. Und auch das Ende der Partie war interessant: Weiß wollte dreifache Stellungswiederholung reklamieren und zu diesem Zweck führte er seinen intendierten Zug aus, drückte die Uhr nicht und rief den Schiedsrichter. Dieser wollte der Reklamation zunächst stattgeben, was mich dazu veranlasste, darauf hinzuweisen, dass die Reklamation falsch war. Nach einigem Hin und Her einigte man sich auf ein Unentschieden. Alex hatte derweil den geschlossenen Sizilianer seines Gegners auseinandergebaut und mehrere Bauern eingesammelt. Diesen Vorteil verwertete er souverän zum 2,5:1,5. In den beiden verbliebenen Partien kämpften Maria und ich jeweils um ein Remis. Doch wir scheiterten beide. Maria hatte einen Bauern eingebüßt, sich aber lange gut verteidigt, bis ihr Gegner doch noch einen Durchbruch fand und die Partie gewann. Mein Gegner hatte eine Qualität geopfert und lavierte gegen meine passiven Figuren auf der Suche nach einem Gewinn. Ich war dem Remis nahe, verpasste die dreifache Stellungswiederholung aber um ein Tempo. Dann entschied ich mich angesichts schwindender Zeit, meine Qualität zurückgeben, landete nach einem geschickten Zwischenzug meines Gegner aber in einem verlorenen Endspiel und beendete meine Weißpartien in diesem Turnier mit katastrophalen 0/3.

In der letzten Runde kam es zum dritten Landesduell, diesmal gegen die OSG Baden-Baden. Die waren aufgrund einiger verwunderlicher Fehler und Missverständnisse wie eingangs erwähnt lediglich zu fünft. So starteten wir mit einem Punkt Vorsprung. Der Kampf war überraschend kurz: Sowohl Richard Martin an Brett 5 von Baden-Baden als auch Alex stellten innerhalb von 10 Zügen die Partie ein. Lukas kam zu seinem ersten Sieg, da Luka Wu einfach eine Figur einstellte und Leon Wu wurde von Wilken überrollt, nachdem sich seine Eröffnungskenntnisse in der Berliner Mauer als mangelhaft erwiesen. Einzig bei mir dauerte die Partie länger als zwei Stunden. Alex Doll hatte sich im Sveshnikov einen Bauern gegriffen, was mir sofortigen Ausgleich ermöglichte. Eine weitere Ungenauigkeit ermöglichte mir ein spektakuläres Turmopfer, das sogar die Partie hätte gewinnen müssen, doch meine Rechenfähigkeiten ließen mich ein weiteres Mal im Stich, sodass ich mich mit einem halben Punkt begnügen musste.

Dieser 4,5:1,5 Sieg spülte uns auf Platz 8 der Endtabelle vor, womit wir durchaus zufrieden sein können, da wir einiges an Glück hatten. Andererseits haben wir auch viele Chancen verpasst und einige, allen voran ich, spielten ein enttäuschendes Turnier. Trotzdem hoffe ich, dass alle Spieler aus den Erfahrungen dieses Turnieres zumindest etwas lernen können und dass wir Lukas Pfatteicher nicht allzu viele Nerven gekostet haben, der uns stets gut vorbereitete und die Partien mit uns analysierte. Unser bester Spieler war Wilken, der unterhaltsames und erfolgreiches Schach spielte und 4,5 Punkte aus 6 Spielen sowie eine Leistung von über 2100 erzielte. Immerhin waren wir wie im Vorjahr die stärkste Mannschaft aus Baden-Württemberg. Unser Sieg gegen Baden-Baden könnte dabei einer der letzten für die nächsten paar Jahre gewesen sein, da Baden-Baden sich für die aktuelle Saison in der Jugend erneut massiv verstärkt hat. Wie stark diese Mannschaft in Zukunft ist, werden wir voraussichtlich im Januar in der Jugendbundesliga zu spüren bekommen.