1. Frauenbundesliga

SK Doppelbauer Turm Kiel – Karlsruher SF  

und

Karlsruher SF – TuRa Harksheide

Lange Reise – langes Elend im hohen Norden

1.FBL · 20.-21.01.2024 · Harkheide · © Stefan Haas

Die dritte Doppelrunde führte uns nach Schleswig-Holstein, wo zwei Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte auf uns warteten. Wir hatten Glück mit der Anreise, da sich das Wochenende genau zwischen zwei der unsäglichen Lokführerstreiks einfügte. So bewältigten wir die Fahrten mit der Bahn, die auch tatsächlich pünktlich ankam. Unser Hotel in Langenhorn lag am nördlichen Rand der Hamburger Gemarkung, das Spiellokal in Norderstedt knapp außerhalb. Da das Stadtzentrum 40 Minuten mit der U-Bahn von unserem Hotel entfernt lag, blieb uns eine Sightseeing-Tour am Samstag vor dem Spiel verwehrt, aber die meisten wollten sich sowieso noch mal vorbereiten.

Unser Spiellokal war die Mensa eines Gymnasiums; die 12 Spieltische waren in einer Reihe entlang einer hohen Glasfront auf der Gebäude-Südseite aufgereiht, so dass viel natürliches Licht zur Verfügung stand. Für jedes Team gab es einen separaten Aufenthaltsraum im 1. Stock. Wie schon in den ersten beiden Doppelrunden wurden die Kämpfe von einem kompetenten wie angenehmen Schiedsrichter-Duo geleitet. Am Samstag trafen wir auf den Tabellenletzten, den wir eigentlich schlagen wollten.

  SK Doppelbauer Turm Kiel 1925 3 : 3 Karlsruher SF 1853 1992
1 CM Alina Rath 2046 ½ : ½ FM Lena Georgescu 2298
2 WCM Ornella Falke 2030 ½ : ½ WGM Jessica Schmidt 2179
3 Katerina Bräutigam 1974 1 : 0 Rebecca Doll 1970
4 Elisa Stärk 2010 0 : 1 Julia Scheynin 1961
5 Marthe Benzen 1865 0 : 1 Jana Basovskiy 1886
6 Ursula Hielscher 1622 1 : 0 Anja Landenberger 1656

Lena hatte sich in der Eröffnung einen Doppelbauern auf der e-Linie zufügen lassen, fand dann aber die stärkste Fortsetzung nicht und stand bald etwas schlechter, hatte jedoch Glück, dass ihre Gegnerin ein Remisangebot annahm. Bald darauf konnten wir die ersten beiden vollen Punkte feiern: Julia hatte in einer symmetrischen Bauernstellung die einzige offene Linie unter Kontrolle gebracht und einen Bauern erobert; den etwas ungenauen Angriff ihrer Gegnerin konnte sie danach leicht abwehren. Jana stand nach der Eröffnung mit ihrem Isolani auf d4 zunächst etwas schlechter, fand dann aber zunehmend besser ins Spiel und baute Druck am Königsflügel auf; ihre Gegnerin verteidigte sich nun suboptimal und erlaubte ein Springeropfer auf g6, das Jana schnell in einen Sieg ummünzen konnte. Damit hatten wir mal wieder die kritischen 2½ Punkte erreicht. Aber es sah zunächst noch gut aus, obwohl Rebeccas Partie uns schon seit einiger Zeit Sorgen bereitete. Sie hatte in der Tarrasch-Variante gegen Französisch mit Weiß eine Qualität für einen Bauern erobert, was aber nicht als sonderlich aussichtsreich gilt, zumal da Schwarz danach ein starkes Bauernzentrum aufbauen kann. So wurde sie schließlich mehr und mehr zurückgedrängt und unterlag schließlich ziemlich chancenlos. Wir setzten derweil aber alle Hoffnungen auf Anja, die im Mittelspiel mit Schwarz die Initiative übernommen hatte und mit den Leichtfiguren nach vorne drängte. So saßen wir draußen und freuten uns darauf, Anjas ersten Sieg in der ersten Liga seit 16 Jahren feiern zu dürfen. Ein Materialgewinn lag förmlich in der Luft, doch dann stellte Anja in Zeitnot einen Turm ein und musste aufgeben – ein großes Drama, das unseren Matchplan völlig über den Haufen warf. Nun hing alles an Jessica. Sie hatte es mal wieder mit Holländisch versucht, stand lange Zeit kritisch und musste bei heterogenen Rochaden um den Ausgleich kämpfen. Gegen Ende der fünften Spielstunde, als beide nur noch Dame, Springer, Läufer und einige Bauern auf dem Brett hatten, sah es danach aus, als ob sie die Initiative übernehmen könne, doch sie tauschte den Springer ab und die Partie verflachte zum Remis.

Baden-Baden gewann das Parallelspiel klar mit 5:1, nachdem Elisabeth Pähtz wieder mal eine Verluststellung gedreht hatte, eroberte damit die Tabellenspitze, da der Hauptkonkurrent Schwäbisch Hall gegen Hamburg nicht über ein 3:3 hinauskam.  Wir lagen nun auf dem 10. Platz; mit einem Sieg wären wir sogar Achter gewesen! Am Sonntag ging es dann gegen TuRa Harksheide:

  Karlsruher SF 1853 1992 1 : 5 TuRa Harksheide 2117
1 FM Lena Georgescu 2298 ½ : ½ WGM Julia Antolak 2274
2 WGM Jessica Schmidt 2179 0 : 1 FM Lara Schulze 2297
3 Rebecca Doll 1970 0 : 1 WIM Aleksandra Lach 2276
4 Julia Scheynin 1961 0 : 1 Carina Brandt 2037
5 Jana Basovskiy 1886 ½ : ½ Inken Köhler 2030
6 Anja  Landenberger 1656 0 : 1 Emily Rosmait 1787

Obwohl Harksheide auch nicht stärker aufgestellt war als Leipzig oder Löberitz in der ersten Doppelrunde, sollte es doch schwer werden, obwohl es zunächst gut aussah. Diesmal hatte Janas Gegnerin den Isolani, und Jana stand nach knapp drei Stunden etwas angenehmer. Aus Sorge um einen möglichen Gegenangriff entschied sie sich jedoch für eine Remisschaukel. Die übrigen Partien erreichten die Zeitkontrolle oder gingen darüber hinaus. Julia hatte sich trotz anderslautender Vorsätze wieder auf den alten Stiefel „Königsindisch im Anzug“ eingelassen, wechselte dann in eine französische Zentrumsstellung, die der Gegnerin eine Initiative am Damenflügel einräumte. Julia verteidigte sich zunächst zäh, doch ihr Nachteil vergrößerte sich zunehmend, bis sie im 39. Zug eine Figur einstellte und aufgeben musste. Das nächste Drama ereignete sich bei Anja, die ihre Partie über lange Zeit ausgeglichen gestalten konnte, dann in der Zeitnotphase immer besser ins Spiel kam und einen Bauern eroberte. Leider beging sie danach schon im nächsten Zug einen grober Fehler, verpasste auch noch die Chance, mit Turm und zwei Bauern gegen die Dame auf eine Festung zu spielen und unterlag schnell. Kurz danach war es auch bei Rebecca so weit. Sie hatte gegen die verzögerte Abtauschvariante im Spanier – zudem mit dem größten DWZ-Nachteil in diesem Kampf – von Beginn an ein schwieriges Spiel zu verteidigen und trotz aller Bemühungen nie zum vollständigen Ausgleich gefunden, während ihre Gegnerin mit einem überzeugenden Vortrag die Partie schließlich für sich entschied. Lena hatte mit Schwarz in der Eröffnung ein interessantes Bauernopfer gebracht, das ihr etwas Initiative gewährte. Sie spielte das auch sehr überzeugend, verdarb ihrer Gegnerin, die sich in der Folge auch nicht gerade gut verteidigte, die Rochade, und drang mit ihrem Turm auf der zweiten Reihe ein. Auch hier hatten wir in der vierten Spielstunde große Hoffnungen, die mit einem möglichen Sieg von Anja uns in die Nähe eines Mannschaftspunktes gebracht hätte, doch leider ließ Lena den gewinn-verheißenden Springereinmarsch nach f2 aus und wickelte in ein Doppelturmendspiel mit Mehrbauern ab, das aber letztendlich nicht zu gewinnen war. Zu allem Überfluss kämpfte auch Jessica nun schon lange einen aussichtslosen Kampf; sie hatte schon im frühen Mittelspiel einen Bauern verloren und schleppte das Spiel über fünf Stunden, bis auch hier das Einstellen eines Springers – lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende – den Kampf beendete.

So endete der Kampf unbefriedigend. War schon am Vortag ein Sieg leicht möglich gewesen, verpassten wir heute unsere üblichen 2½ Punkte, was uns zumindest die Genugtuung gegeben hätte, unser Bestes aufs Brett gebracht zu haben. Baden-Baden gewann das Parallelspiel mit 5½:½. Aufgrund der deutlich besseren Brettpunktzahl konnten wir Kiel vorerst hinter uns halten und müssen nun hoffen, dass ihnen kein Befreiungsschlag gegen Leipzig oder Löberitz gelingt, da wir nun das eindeutig schwerere Restprogramm vor uns haben.

Siehe hierzu auch den Bericht von André Schulz auf der Chessbase-Seite, mit vielen Fotos der Spielerinnen:

https://de.chessbase.com/post/frauenbundesliga-baden-baden-alleiniger-spitzenreiter